Die Geldanlage der Deutschen hat sich in den letzten vier Jahren deutlich verändert. Viele besonders junge Anleger setzen auf Neo-Broker. Jetzt gibt es Ärger.
Als ich Mitte der 90er-Jahre mit aktivem Aktienhandel begann war der Dreiklang aus teuren Ordergebühren, mittelgutem Service und ausschließlich telefonischer Erreichbarkeit normal. Die Sparkassen oder Volksbanken verdienten sich eine goldene Nase, aber immerhin konnte man bei Beschwerden persönlich in der Filiale vorstellig werden. In der Brunnenstraße in Berlin dürfte man bei Trade Republic wohl primär auf IT-Experten und Marketing-Menschen treffen, denn persönliche Kundenbetreuung ist bei Neo-Brokern nicht vorgesehen. Interessenten setzen sich also besser mit Laptop oder Smartphone in den nahe gelegenen Weinbergspark und adressieren ihre Probleme digital.
Details werfen Fragen auf
Genau da liegt bei den Berlinern aber ein riesiges Problem. Denn das Versprechen der Marketingmaschine Trade Republic war bisher, dass man Kunden mit hohen Zinsen und einfachem Handling der App glücklichen machen würde. Ein erstes Rauschen gab es als 2023 die App einen Relaunch erfuhr und Kunden wenig erfreut waren. Dazu stellt man als aktiver Kunde an volatileren Handelstagen wie am 14.Juni – als der DAX seinen schlechtesten Tag seit Monaten verzeichnete – fest, dass die Geschwindigkeit der App mitunter an ein 56k-Modem erinnert. Wer an jenen Tagen Hebelpapiere oder Aktien handeln möchte, trifft mitunter doch auf mangelhafte Ordergeschwindigkeit. Auch die Vermarktung einer Debitkarte als Kreditkarte kam bei manchen Anlegern keinesfalls gut an, da es sich in gewisser Weise um Etikettenschwindel handelt. Wer schon einmal an einem Flughafen versucht hat, mit einer Debitkarte einen Mietwagen zu erhalten, weiß davon ein Lied zu singen.
Verbesserungen dringend nötig
Oben drauf kommen nun Abrechnungsprobleme bei Dividenden und der Umgang mit den Beschwerden. Trade Republic verweist durch seinen Pressesprecher darauf, dass „wenige Dividenden nicht in Echtzeit, sondern, wie bei anderen Brokern üblich, erst wenige Bankarbeitstage nach dem Zahltag an den Kunden gebucht wurden“. Im aktuellen Quartal habe dies unter anderem DWS und Porsche betroffen. In zahlreichen Foren sieht man jedoch, dass nicht die Zahlung per se die Kunden verärgert hat. „Dividenden werden bei uns innerhalb von 2 bis 4 Tagen verbucht. Natürlich arbeiten wir daran, den Prozess weiter zu beschleunigen und eine noch schnellere Verbuchung darstellen zu können“, erklärt der Smartbroker zu seinem Vorgehen bei Dividenden. Die Dauer im Speziellen irritierte die Kunden auch nur in zweiter Linie. Eine mangelhafte Kommunikation und eine Reaktion erst nach zahlreichen Medienberichten verärgerte primär. Nicht wenige Kunden von Trade Republic könnten sich nun emanzipieren.
Vertrauen schlägt Marketing
Denn unbestritten haben die Berliner den Markt verändert und gehört die Haptik zum Besten was man am Markt finden kann. Daran arbeiten jedoch auch Konkurrenten wie der Smartbroker, ebenfalls aus Berlin. Erfahrene Trader wissen zudem die Verlässlichkeit einer Consorsbank zu schätzen. Denn hohe Zinsen für Neukunden gibt es auch bei der Konkurrenz, echte Kreditkarten haben viele Mitbewerber im Angebot und vor allem stimmt die Ausführungsqualität gerade bei Hebelprodukten an volatilen Handelstagen. Konkurrenten wie Smartbroker, Flatex oder Consorsbank bieten zudem bei Hebelpapieren alle Emittenten als Auswahlpartner an.
Kommunikation ins Lastenheft
Ohne Zweifel hat Trade Republic gerade bei jungen Leuten ein hervorragendes Marketing an den Tag gelegt. Am Ende geht es bei Geldanlage aber um Ertrag und Vertrauen. Genau an diesem Punkt können auch die jungen Kunden unangenehm werden. Ein scheinbar vertrautes und hippes per-Du in der Ansprache ist dann cool und frisch, wenn alles funktioniert. Treten Probleme auf, möchte der Kunde dann doch den langweiligen Kundenbetreuer, der in klassischer Ansprache das Problem vom Tisch räumt. Überraschend sind Probleme bei schnell wachsenden jungen Unternehmen keineswegs. Trade Republic wird seine Kunden-Kommunikation hoffentlich verbessern, denn für eine gute Aktienkultur sind Börsen und Broker unerlässlich – ganz egal ob in der Neo oder der etablierten Variante.