Zum Jahreswechsel waren sich Fondsmanager recht einig, dass die zweite Aktienreihe auftrumpfen sollte. Diese Wette ging bisher nicht auf und nun probiert man Neues.
Wenn sich sehr viele Marktteilnehmer einig sind, dann sollte man skeptisch werden. Im Herbst 2023 konnte man sich unter Fondsmanagern und Anlageexperten umhören und die gängige Wette für 2024 lautete – rein in Aktien der zweiten Reihe und ein Übergewicht herstellen im Verhältnis zur ersten Reihe. Leider ging dies in diesem Jahr bisher krachend schief. Der MDAX liegt seit Jahresstart bei minus drei Prozent während der DAX mit plus sieben Prozent hervorragend gelaufen ist. „International waren es die japanischen Aktien mit plus 15 Prozent, die in den ersten vier Monaten den EuroStoxx50 mit acht Prozent und die Nasdaq mit plus 3,5 Prozent hinter sich ließen“, rechnet Vanyo Walter vom Broker RoboMarkets vor. Die Wette der zweiten Reihe in Deutschland sieht auch nicht besser aus, wenn man den TecDAX mit minus 2,9 und den SDAX mit plus 2,9 Prozent hinzu zieht.
Neue Idee
So ist das sogenannte Alpha – also eine Spekulation darauf kleine deutsche Aktien höher zu gewichten im Vergleich zu großen Titeln – nicht aufgegangen. Viele Anleger wenden sich daher einer Idee zu, die in zahlreichen Research-Notes gerade verteilt wird: Long Europa, short USA. Dies bedeutet mit anderen Worten, dass Anleger Europa übergewichten sollten und Amerika in der Tendenz etwas geringer gewichten. Schaut man sich aber DAX und EuroStoxx im Vergleich zum S&P 500, der im ersten Jahresdrittel 5,3 Prozent brachte, an, so könnte diese Spekulation auch schon gelaufen sein oder zumindest weit fortgeschritten. Es wäre auch logisch, dass die europäische Währungsseite seit längerer Zeit schwächelt. „Den Euro hat es von 1,11 Dollar bis auf 1,06 Dollar nach unten geführt was in der implodierten Zinssenkungsphantasie der USA begründet liegt“, so Franz-Georg Wenner von IndexRadar.
Immerhin – mache Experten glauben noch immer an eine nachhaltige Zinswende in den kommenden Monaten, was dem Euro dann wieder auf die Sprünge helfen würde. „Wir erwarten nun zwei Zinssenkungen in diesem Jahr und bleiben zugleich bei unserer Prognose von drei weiteren Senkungen 2025“, so Axa-Investment-Managers. Dun & Bradstreet prognostiziert derweil für die USA 2024 „ein Wachstum von 1,5 Prozent, verglichen mit 0,6 Prozent in Deutschland und 0,9 Prozent in Großbritannien. Frankreich dürfte um 1,2 Prozent wachsen. Die geldpolitischen Reaktionen der EZB und der US-Notenbank waren in den letzten Jahren recht ähnlich, sodass der Pfad zu niedrigeren Zinsen wohl einigermaßen vergleichbar sein wird. Das Doppelmandat der Fed – Vollbeschäftigung und niedrige Inflation – scheint zunehmend ausgewogener zu sein“.
Bewertung pro Europa
Ein wirkliches Pfund pro Europa gibt es dann aber doch. Denn die Bewertung ist nach wie vor weit unterhalb der US-Messlatte. Seit Jahresbeginn ist das für 2024 erwartete DAX-Gewinnwachstum von fünf auf nur noch zwei Prozent gefallen. Für 27 der 40 DAX-Mitglieder haben die Profis im abgelaufenen Quartal ihre Gewinnprognosen nach unten korrigiert. Die Messlatte liegt also tief. Auch wenn mit Enttäuschungen zu rechnen ist, sollte der Gewinnrückgang unter dem Strich geringer ausfallen und dem Markt zusätzlichen Rückenwind verleihen. Aufwärtsrevisionen sind daher zu erwarten, was den Bewertungsspielraum erhöht.
„Mit einem 12-Monats-KGV von 12,5 für den DAX und 13,5 für den Euro Stoxx 50 ist Europa nach wie vor deutlich attraktiver als die USA, wo der S&P 500 mit einem Faktor von 20 deutlich oberhalb langjähriger Durchschnittswerte zu haben ist“, so RoboMarkets-Experte Walter. Vor diesem Hintergrund überrascht die Stärke des alten Kontinents dann doch nicht. Der international vergleichbare Kursindex DAX liegt seit Jahresbeginn rund sechs Prozent im Plus, der hochgejubelte Nasdaq 100 bei gut zwei Prozent. Wie weit die Wette fortgeschritten ist, wird man in den kommenden Wochen und Monaten sehen.