
Vanyo Walter ist seit Juni 2023 Managing Director bei der RoboMarkets Deutschland GmbH.
FR: Herr Walter, die Berichtssaison in den USA erreicht ihren Höhepunkt. Was ist Ihr Eindruck bisher?
Vanyo Walter / Robomarkets: Bisher zeigen die Unternehmen insgesamt eine starke Performance. Alphabet, Netflix und Coca-Cola haben mit deutlichen Gewinnüberraschungen überzeugt. Die aggregierte Gewinnüberraschung für den S&P 500 liegt bei knapp 10 %, was über dem langfristigen Durchschnitt liegt. Allerdings gibt es auch klare Schattenseiten, vor allem bei konsumbezogenen Unternehmen.
FR: Was genau meinen Sie mit Schattenseiten?
Vanyo Walter: Der Bereich Konsum zeigt Schwächen – sowohl im zyklischen als auch im Grundkonsum. Starbucks verfehlte beispielsweise Umsatz und Gewinn, die Aktie fiel deutlich. Ähnlich bei Mondelez, wo die Umsätze unter den Erwartungen lagen. Zwar wurde der Jahresausblick bestätigt, aber die Risiken durch Inflation und schwächeren Konsum sind deutlich benannt worden. Auch bei Booking überzeugten die Zahlen, aber die Übernachtungspreise – ein zentraler Faktor – enttäuschten. Der Markt reagiert da sehr sensibel.
FR: Viele sprechen derzeit über die Importzölle der USA. Welche Rolle spielen sie für die Märkte?
Vanyo Walter: Eine große. Die Unsicherheit rund um US-Zölle wirkt sich direkt auf die Gewinnschätzungen aus. Seit Jahresbeginn wurden die Prognosen für 2025 und 2026 bereits um über drei Prozent gesenkt – und das könnte erst der Anfang sein. Wenn die Basiszölle bei 10 % bleiben und zusätzliche Maßnahmen hinzukommen, könnten die EPS-Schätzungen insgesamt um 5 bis 10 % sinken. Das trifft vor allem Unternehmen mit hohem Anteil internationaler Produktion – wie Apple oder Nike.
FR: Gibt es erste Signale, wie Unternehmen auf die Zölle reagieren wollen?
Vanyo Walter: Ja, zumindest indirekt. Bei Pfizer etwa reagierte die Aktie positiv, weil der CEO zuversichtlich war, höhere Zölle vermeiden zu können. Gleichzeitig stellen sich viele Fragen: Können Firmen die Mehrkosten an Kunden weitergeben? Werden Lieferketten umgebaut? Gibt es Investitionsverschiebungen? Oder sogar Zurückhaltung bei Neueinstellungen? Die Berichtssaison liefert hier erste Andeutungen – etwa von Firmen, die sich zurückhaltend zu Investitionsplänen äußern oder vorsichtig bei Ausblicken bleiben.
FR: Die Aktienrückkäufe nehmen wieder zu. Ist das ein Vertrauenssignal?
Vanyo Walter: In gewissem Maße schon. Alphabet, Visa und Goldman Sachs haben zusammen Rückkäufe über 140 Milliarden Dollar angekündigt – ein starkes Zeichen. Insgesamt wurden im April Buybacks im Wert von über 180 Milliarden Dollar angekündigt. Das zeigt, dass einige Unternehmen trotz makroökonomischer Unsicherheiten an ihre eigene Stabilität glauben. Aber Anleger sollten sich nicht nur auf Rückkäufe verlassen – gerade mit Blick auf die Zollpolitik und ihre möglichen Folgen auf Margen und Nachfrage.