
Vanyo Walter ist Managing Director bei der RoboMarkets Deutschland GmbH.
Daniel Saurenz: Die jüngsten Zahlen zur deutschen Industrieproduktion und zu den Exporten sind schwach. Ist das ein kurzfristiger Ausreißer – oder steckt mehr dahinter?
Vanyo Walter – Robomarkets: Es ist mehr als ein Ausreißer. Wir sehen einen Mix aus strukturellem Gegenwind – hohe Energiekosten, demografischer Druck, technologische Rückstände – und zyklischer Abkühlung. Das Spannende: Genau diese Schwäche kann der Katalysator für überfällige Reformschritte werden, wenn die Politik die Chance ergreift.
Daniel Saurenz: Wo liegt die konkret?
Vanyo Walter: Die USA und China liefern sich einen Systemwettbewerb, in dem beide Seiten politischen Druck ausüben. Damit entsteht ein Machtvakuum, in dem Europa sich als dritter, verlässlicher Pol positionieren könnte – regelbasiert, offen, innovationsorientiert. Dafür braucht es aber eine echte Vertiefung der wirtschaftlichen Integration und eine Abkehr von kleinteiligen nationalen Egoismen.
Daniel Saurenz: Welche Reformen wären aus Ihrer Sicht am dringlichsten?
Vanyo Walter: Erstens: Kapitalmarktunion vollenden, um privates Kapital für Infrastruktur, Energie und Technologie zu mobilisieren. Zweitens: fiskalischer Investitionsrahmen, der überholte Maastricht-Bremsen ersetzt und gezielte EU-weite Zukunftsanleihen ermöglicht. Drittens: Industrie- und Technologiestrategie, inklusive Halbleiter, KI und Verteidigung. Viertens: Bildung und Zuwanderung, um demografische Schwächen auszugleichen.
Daniel Saurenz: Wie sollten Anleger Europa derzeit einordnen – Chance oder Risiko?
Vanyo Walter: Beides. Kurzfristig ist der Gegenwind spürbar, vor allem für exportlastige Zykliker. Mittel- bis langfristig entstehen Chancen bei Titeln, die von EU-Investitionen profitieren: Infrastruktur, Energietechnik, Rüstungs- und Cybersecurity-Firmen. Auf der Rentenseite sind selektive Euro-Peripherieanleihen attraktiv, wenn wirkliche Fortschritte bei der Integration sichtbar werden.
Daniel Saurenz: Welches Signal würde Ihnen zeigen, dass Europa den Schalter tatsächlich umlegt?
Vanyo Walter: Eine verbindliche Einigung auf einen großen gemeinsamen Investitionsfonds – finanziert über europäische Anleihen und flankiert von klaren Fortschritten bei der Kapitalmarktunion. Kommt das, wäre das der Game-Changer. Bleibt es aus, droht Europa ökonomisch zwischen Washington und Peking zerrieben zu werden.
Daniel Saurenz: Vielen Dank für das Gespräch, Vanyo.