Eine Rally von 30 Prozent seit Beginn eines Jahres ist bei Gold außergewöhnlich. Neue Anleger sollten jetzt an verpasste Straßenbahnen denken.
Eine alte Weisheit des Börsengurus Andre Kostolany besagt, dass es mit den Chancen an der Börse ist wie mit einer Straßenbahn. Hat man eine Chance verpasst, kommt ziemlich bald die nächste. Dies trifft 2025 sehr speziell auf Gold zu. Ende 2024 wäre es eine exzellente Idee gewesen auf Gold zu setzen. Zur Jahresmitte sind 30 Prozent Kurssteigerung aufgelaufen. Hinterherrennen sollte man dieser sprichwörtlichen Straßenbahn aber nicht. Die fundamentale Basis für Gold ist und bleibt gut, doch eine Korrektur ist genau wie bei starken Aktien jederzeit möglich und wäre sogar gesund. Die Analysten der Citigroup rechnen bis zur zweiten Jahreshälfte 2026 mit einem Rückgang auf 2.500 bis 2.700 US-Dollar je Unze – was einer für Gold nicht untypischen Korrektur von rund 20 bis 25 Prozent entspräche.
Wo soll eine Korrektur herkommen?
Auslöser könnte laut Citigroup eine Kombination aus nachlassender Investmentnachfrage, freundlicheren Wachstumsperspektiven und einer Fed sein, die allmählich den Fuß vom geldpolitischen Bremspedal nimmt. Önder Çiftçi, CEO der beim Edelmetallhändler Ophirum, sieht dies anders. Er argumentiert, dass „schon seit Monaten institutionelle Anleger ihre Anlagen vom Greenback in andere Währungen und Gold umschichten. Insbesondere Notenbanken in Schwellenländern – darunter auch China, Russland, Indien oder die Türkei – bauen ihre Dollar-Reserven ab und legen sich stattdessen mehr Gold in ihre Tresore. Diese Länder haben grundlegende Zweifel, ob ihre Dollarreserven – vor allem in Form von US-Staatsanleihen – dauerhaft werthaltig und frei verkäuflich sein werden“.
Wer kauft Gold?
Ganz ohne Käufer wird das Edelmetall ohnehin nicht dastehen. 43 Prozent der befragten Zentralbanken planen, ihre Goldreserven weiter aufzustocken – vor allem in den Schwellenländern. Das sind deutlich mehr als die 29 Prozent im Vorjahr und der höchste Wert seit Beginn der Erhebung durch den World Gold Council (WGC) und YouGov vor acht Jahren. Spannend ist die Frage, warum Anleger überhaupt ins Gold geflohen sind und wie hoch die Goldbestände überhaupt ausfallen. „Eine Schutzfunktion in Krisen wird Gold zugeschrieben, weil von dem Edelmetall laut Schätzungen weltweit nur 210.000 Tonnen existieren und es sich nicht wie Papiergeld oder Wertpapiere beliebig vermehren lässt“, so Vanyo Walter vom Broker RoboMarkets. Manche Investoren argumentieren, dass sich zudem der Goldpreis oft unabhängig von den Trends am Aktien- und Anleihemarkt entwickelt. Dies stimmt jedoch nicht ganz, denn seit vielen Jahren ist durchaus zu beobachten, dass Gold parallel mit Aktienkursen klettert – was übrigens auch für den Bitcoin gilt.
Feste Währung in der Hand
„Gold gilt aber als Sachinvestment, das vor realen Kaufkraftverlusten schützt, selbst wenn eine Währung wie der Dollar oder der Euro massiv an Wert verlieren sollten“, merken die Experten vom Lynx-Broker an. Das war zum Beispiel in Deutschland während der Hyperinflation von 1923 zu beobachten. Zeitweise hätte eine Unze Gold genügt, um einen ganzen Häuserblock zu erwerben. Wichtig jedoch ist auch im Sommer 2025, dass der Goldpreis Ereignisse vorweg nimmt, wenn sich Krisen abzeichnen oder beginnen. „Eine Beruhigung im Konflikt Israel-Iran, eine Entspannung bei amerikanischen Staatsanleihen oder gar Verbesserungen im Ukraine-Krieg könnten Gold einen Dämpfer versetzen“, findet Franz-Georg Wenner von IndexRadar. Doch genau dies wäre dann die Straßenbahn auf die man aufspringen kann, weil man die letzte verpasst hat.