Das von der Bundesregierung geplante Altersvorsorgedepot ist derzeit in aller Munde und soll die zu teure und bürokratische Riester-Rente ablösen. Über den Gesetzesentwurf haben wir mit Thomas Soltau gesprochen, der im Digital Finance Forum, einem Beirat des Bundesfinanzministeriums (BMF), sitzt und dem BMF beratend zur Seite steht. Die Reform war auch ein Thema bei NTV mit Thomas Soltau im Interview mit Friedhelm Tilgen. Altersvorsorgedepot – der große Wurf?
Feingold Research: Was versteht man unter dem „Altersvorsorgedepot“?
Thomas Soltau: Das Altersvorsorgedepot soll Menschen helfen, ihr Geld in Fonds, ETFs, Aktien und Anleihen für die Altersvorsorge zu investieren. Diese Idee, die im Wahlkampf 2021 „Aktienrente“ genannt wurde und nun als Altersvorsorgedepot oder Vorsorgedepot bezeichnet wird, ist eine Revolution in der privaten Altersvorsorge und stellt eine radikale Abkehr von der gescheiterten Riester-Rente dar. Wer staatlich gefördert anlegen möchte, muss seine Renditen nicht durch teure Garantien, wie bei der wenig genutzten Riester-Rente, schmälern lassen. Anleger sollen bei der nun als Altersvorsorgedepot geförderten Initiative künftig eine große Auswahl an Wertpapieren zur Altersvorsorge haben. Interessierte dürfen gemäß dem Vorschlag in Fonds und ETFs, Aktien und Anleihen investieren. Für jeden Euro, den man einzahlt, möchte der Staat 20 Cent beisteuern. Bis zu einem jährlichen Eigenbetrag von 3.000 Euro. Das heißt: Der Bund fördert Bürger mit maximal 600 Euro pro Jahr. Hat man Kinder, legt der Bund sogar noch bis zu 300 EUR oben drauf. Und das Charmanteste an dem Vorhaben: alle Gewinne im Depot bleiben steuerfrei. Interessierte können also das Geld im Depot beliebig umschichten und müssen die Gewinne nicht versteuern, so kann der volle Gewinn reinvestiert werden, was zu einem enormen Zinseszinseffekt führt.
Feingold Research: Ab wann ist das neue Altersvorsorgedepot gültig?
Thomas Soltau: Bislang ist die Umsetzung der Idee noch nicht unter Dach und Fach. Derzeit liegt ein entsprechender Gesetzesentwurf vor, der derzeit öffentlich diskutiert wird. Das Bundesfinanzministerium befindet sich in regierungsinternen Abstimmungen zum Gesetzesentwurf und plant kurzfristig das Gesetz beschließen zu lassen.
Feingold Research: Warum soll es überhaupt eine Alternative zur Riester-Rente geben?
Thomas Soltau: Die Riester-Rente gilt als kompliziert und vor allem bei der Zulagengewährung als bürokratisch. Darüber hinaus hat die Niedrigzinsphase der vergangenen Jahre einen entscheidenden Nachteil offengelegt: Durch die verbriefte und erzwungene Garantie für Beilagen und Zulagen war es in der Praxis so, dass kaum Aktienfondsmodelle angeboten wurden. Das Risiko ist für Anbieter wie Versicherungen zu groß ist. Als Versicherungsprodukte und Banksparpläne angesichts der Minizinsen unattraktiv wurden, fehlten Alternativen. Darüber hinaus sei erwähnt, dass leider sehr viele Anbieter viel zu hohe Kosten in den Produkten verarbeitet haben und die Riester auch dadurch sehr unattraktiv ist. Wer über 20 oder gar 40 Jahre sein Geld spart, sollte hier ganz besonders auf die Kosten achten. Bei dem Altersvorsorgedepot ist davon auszugehen, dass vor allem Neobroker hier äußerst kostengünstige Produkte anbieten werden. Auch plant die Bundesregierung die Einführung einer öffentlichen Vergleichsplattform, wo alle Anbieter nach Kosten verglichen werden. Das wird ebenfalls dazu führen, dass die neuen Produkte eher günstiger werden.
Feingold Research: Besteht in der Bevölkerung ein Interesse an einem Altersvorsorgedepot?
Thomas Soltau: Laut einer Befragung der Marktforschungsfirma Yougov im Auftrag der Postbank unter rund 2.250 deutschen Erwachsenen würde die Mehrheit das Altersvorsorgedepot nutzen. Sogar bei Anlegern, die bisher kein Geld in Wertpapiere investierten, habe das Angebot Interesse an einer Anlage in Aktien oder Fonds geweckt. Einige Ergebnisse der Befragung: 58 Prozent der Erwerbstätigen erwägen, ein solches staatlich gefördertes Altersvorsorgedepot in Anspruch zu nehmen. Fast jeder Zweite (47 Prozent), der bislang nicht am Kapitalmarkt anlegt, würde mit der neuen Möglichkeit erstmals in Wertpapiere investieren, um fürs Alter vorzusorgen.
Feingold Research: Sollte man unbedingt mit Fonds und Aktien in die Altersvorsoge investieren?
Thomas Soltau: Dies muss jeder für sich entscheiden. Meiner Meinung aber ja – es gibt keine echte Alternative. Erst recht nicht, wenn ich über Jahrzehnte investiere und für mein Alter vorsorge. Mit Aktien, ETFs und Fonds gibt es grundsätzlich höhere Renditemöglichkeiten und es gibt auch viele Produkte, die sehr konservativ investieren und daher nur geringe Kursschwankungen sehen. Gerade bei der großen Auswahl, die der Markt bietet, sollte sich für jeden Anlegertypen etwas finden lassen.