
Vanyo Walter ist seit Juni 2023 Managing Director bei der RoboMarkets Deutschland GmbH.
Was zum Start in diese außergewöhnliche Handelswoche noch als Gerücht über das Börsenparkett fegte und von US-Präsident als „Fake News“ abgetan wurde, war eher ein Testballon und wurde am Mittwochabend dann Realität. Die noch vor zwei Wochen per Papptafel verkündeten, sogenannten reziproken Zölle werden nun für 90 Tage ausgesetzt. Was dann passierte, sucht in der Börsengeschichte wohl seinesgleichen. An der Wall Street explodierten die Kurse förmlich, allein der US-Technologieindex legte in nur wenigen Handelsstunden um 12 Prozent zu.
Wir stellen die Markteinschätzung von Vanyo Walter / Robomarkets, vor.
DAX fährt Achterbahn
In der Folge sprang auch der DAX 40 Index nach oben und zurück über die 20.000er Marke, nachdem er am Montag noch ein Tief bei knapp 18.500 Punkten erreicht hatte. Die Börse ist in dieser Woche zu einem Tollhaus verkommen und Alleinunterhalter Donald Trump bestimmt, wo es langgeht. Da ging der am Mittwoch beschlossene Koalitionsvertrag in Berlin beinahe unter. Dabei ist es gut, dass hierzulande zumindest etwas mehr Stabilität und Verlässlichkeit in die Politik kommt. Das dürfte sich dann auch irgendwann in den Aktienkursen zeigen.
Zolldrama in mehreren Akten
Bei aller Freude über das Kursfeuerwerk in der zweiten Wochenhälfte sei gesagt, dass das Zolltheater mit der jetzt angekündigten Pause seinen letzten Akt noch lange nicht erlebt haben dürfte. Die Unsicherheit über die Zukunft der Weltwirtschaft ist nicht kleiner geworden, denn jetzt geht es an den Verhandlungs- bzw. Pokertisch und Trump wird sich hier nicht so leicht in die Karten schauen lassen.
USA und China in der Zollspirale angekommen
Und dann ist da noch China, in dem Trump seinen ganz persönlichen Feind entdeckt zu haben scheint. Hier werden die wechselseitigen Zölle beinahe jeden Tag verdoppelt und nach einem „Rechenfehler“ werden nun 145 Prozent Zoll auf alle aus dem Reich der Mitte in die USA eingeführten Waren aufgeschlagen. China konterte daraufhin mit 125 Prozent für den umgekehrten Weg. Kommen beide Parteien nicht bald an den Verhandlungstisch, dürfte der Handel zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt beinahe zum Erliegen kommen.
Was passiert in 90 Tagen?
China braucht die USA für ihre billigen Produkte und die USA brauchen China als Zulieferer für viele nicht so leicht auf dem Weltmarkt zu bekommende Vorprodukte und Rohstoffe. Eine sich hinausziehende Neuordnung der Handelsströme dürfte genauso die Weltwirtschaft belasten, wie die Unsicherheit darüber, was mit den aktuell pausierenden Zöllen gegen den Rest der Welt in 90 Tagen passiert.
Banken eröffnen Berichtssaison
In dieser unsicheren Gemengelage verkommt die Berichtssaison für das erste Quartal, die traditionell mit den großen US-Banken begonnen hat, zur Nebensache. Es ist davon auszugehen, dass die Banken für die ersten drei Monate des Jahres sehr gute Ergebnisse vorlegen werden, die von einer immer noch robusten US-Wirtschaft, weiter hohen Zinsen und nicht zu vergessen auch einem volatilen Geschäft an der Börse getragen werden. Doch dann dürften wohl alle ihre Wachstumsaussichten wegen Trumps Zolltheater und den negativen Effekten auf die Wirtschaft nach unten korrigieren.
Was passiert in dieser Woche?
Nach den Zahlen von JPMorgan Chase und Wells Fargo folgen in dieser Woche die Geschäftsberichte der Bank of America, Citigroup und Morgan Stanley. Am Donnerstag entscheidet die Europäische Zentralbank turnusgemäß über die Leitzinsen. Spätestens nachdem der Handelskrieg jetzt die nächste Eskalationsstufe erreicht hat, dürfte einer weiteren Zinssenkung nichts im Weg stehen, sie sogar regelrecht erfordern. 25 Basispunkte sind also gesetzt, ein großer Zinsschritt liegt durchaus im Bereich des Möglichen.
Alles in allem dürften die kommenden Tage an der Börse hochvolatil bleiben und die Kurse nach der Pfeife eines einzelnen Herrn in Washington tanzen. Angeblich haben bereits 70 von den 100 von den Sonderzöllen betroffenen Ländern um einen Verhandlungstermin mit dem Weißen Haus gebeten. Ob und wann hier Gespräche stattfinden, ist unklar. Damit bleiben die Unsicherheit an der Börse hoch und die Anleger hochnervös. Wer kurzfristig Geld übrig hat, sollte dieses aktuell nicht unbedingt in Aktien investieren. Mittel- bis langfristig könnten sich allerdings in den kommenden Tagen Kaufgelegenheiten ergeben.