
Vanyo Walter ist Managing Director bei der RoboMarkets Deutschland GmbH.
FR: Herr Walter, wie reagiert der Kapitalmarkt auf eine Regierung unter Friedrich Merz?
Vanyo Walter: Die Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler sorgt weder für Euphorie noch für Entsetzen. Große DAX-Konzerne sind global aufgestellt und weniger von innenpolitischen Entwicklungen abhängig. Interessanter wird die Lage für mittelgroße Unternehmen, die stärker auf wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen angewiesen sind. Insgesamt bleibt der Wahlausgang für den DAX zunächst ein „Non-Event“, doch die wirtschaftspolitischen Weichenstellungen in den kommenden Wochen könnten entscheidende Impulse liefern.
FR: Welche Folgen hat das Ausscheiden der FDP für Investoren?
Vanyo Walter: Das Fehlen der FDP reißt eine Lücke in die wirtschaftsliberale Agenda. Die Partei wurde von Investoren oft als Garant für fiskalpolitische Stabilität gesehen. Ihr Ausscheiden macht den Weg frei für ein mögliches Aufweichen der Schuldenbremse, was kurzfristig Wachstumsimpulse setzen könnte, aber langfristig die Staatsverschuldung und die Zinslast erhöhen dürfte. Das könnte die Attraktivität deutscher Anleihen und des Euro beeinflussen.
FR: Welche Auswirkungen hat die neue Regierung auf den Euro?
Vanyo Walter: Eine stabile und handlungsfähige Regierung unter Merz wäre für den Euro positiv, insbesondere wenn sie schnell zustande kommt. Sollte es jedoch zu langwierigen Koalitionsverhandlungen kommen oder die Regierung wichtige Reformen nicht anpacken, könnte Deutschland politisch instabiler werden. Das würde die Eurozone in eine heikle Lage bringen, da sie ohnehin mit Herausforderungen durch den starken Dollar und die Konkurrenz aus Fernost kämpft.
FR: Welche Schuldenpolitik erwarten die Märkte von Merz?
Vanyo Walter: Der Markt dürfte eine maßvolle Lockerung der Schuldenbremse für sinnvolle Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung akzeptieren. Ein reines Durchreichen neuer Schulden in den Sozialhaushalt hingegen würde kritisch gesehen und könnte das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland schwächen. Der Kapitalmarkt wird genau beobachten, ob Merz eine Balance zwischen Investitionen und fiskalischer Verantwortung findet.
FR: Welche Risiken sehen Sie für Deutschland und die Finanzmärkte?
Vanyo Walter: Das größte Risiko wäre eine unklare oder handlungsunfähige Regierung, die wichtige Reformen aufschiebt. Sollte Deutschland seine Haushaltsdisziplin verlieren und sich in eine Schuldenfalle manövrieren, würde das nicht nur die Anleihemärkte belasten, sondern auch das Vertrauen internationaler Investoren in den Wirtschaftsstandort Deutschland erschüttern. Merz steht vor der Herausforderung, eine langfristig tragfähige Finanzpolitik zu gestalten – nicht mehr und nicht weniger.