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Der Deutsche Aktienmarkt wurde im kleinen Sommercrash mit nach unten gezogen. Die Probleme vor allem in der zweiten Reihe haben aber einen anderen Grund.

Im Spätsommer 1998 sah ich Helmut Kohl bei einer Wahlkampfveranstaltung zur Bundestagswahl in Mainz. Wirtschaftlich war Deutschland festgefahren und bei den Zuschauern dachten sehr viele, dass nur Kohl selbst nicht merkte, wie sehr seine schwarz-gelbe Koalition am Ende war. Im Sommer 2024 merkt eigentlich fast jeder, dass die Ampelregierung nicht nur fix und fertig ist, sondern das Land mit jedem Tag weiterer Regierungsverantwortung tiefer in die Krise treibt. An der Börse reflektieren dies die Kurse der mittleren und kleinen Firmen, die besonders von Energiepreisen im Land, von Infrastruktur, von Fachkräftesuche und Arbeitsanreizen abhängig sind.

Quartal um Quartal sieht man kein Wirtschaftswachstum – der Standort Deutschland bleibt für Unternehmen ein schwieriges Pflaster. Die jüngsten Zahlen machen die Misere deutlich: Während Ökonomen auf ein Mini-Wachstum gehofft hatten, ist die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal wider Erwarten leicht geschrumpft. Auch der Internationale Währungsfonds sieht vorerst keine Besserung: Während die Weltwirtschaft in diesem Jahr um gut drei Prozent wachsen soll, droht Deutschland mit 0,2 Prozent das schwächste Wachstum aller führenden G7-Industriestaaten.

Nur der große DAX hält gegen

DAX40-Investoren nehmen das nur achselzuckend zur Kenntnis, denn die großen deutschen Unternehmen haben sich längst von ihrem Heimatmarkt abgekoppelt. Im Schnitt erwirtschaften die Groß-Konzerne nur noch rund 20 Prozent ihres Umsatzes in Deutschland. Viel wichtiger ist das Geschäft in den USA und den Schwellenländern. In Zukunft dürfte diese Quote weiter sinken, Unternehmen wie BASF und Mercedes-Benz bauen ihre Präsenz in China und den USA weiter aus. Man könnte meinen, dass es ein Wunder ist, dass dem DAX auch nach der Korrektur im August nur acht Prozent zum Rekordhoch fehlen während hierzulande ein blutleeres Wachstum jede Investitionsbereitschaft im Keim erstickt.

International hilft

Wer international breit aufgestellt ist und frühzeitig die Weichen gestellt hat, wird an der Börse belohnt und rege gehandelt. Beim Smartbroker oder dem Börsenplatz Gettex in München liegen regelmäßig SAP, Siemens und Allianz weit vorne. Ansonsten dominieren eher Titel aus den USA wie Nvidia, Apple oder Tesla. Das zeigt sich auch bei den Einzelwerten in der ersten Börsenliga. Neun der 40 Indexmitglieder haben in diesem Jahr – ähnlich wie der DAX – ihre Bestmarken weiter verbessert. Darunter befinden sich Schwergewichte wie Airbus, Siemens und SAP. Gerade die Walldorfer Softwareschmiede glänzte zuletzt wieder mit einem optimistischen Ausblick für das Cloud-Geschäft und begeisterte mit einer Prognoseanhebung. Die Aktie profitierte in den vergangenen Wochen von der Mitte März auf 15 Prozent angehobenen Kappungsgrenze. Mittlerweile ist die Gewichtung jedoch auf 14 Prozent gestiegen, die Luft wird also dünner. „Sollte die SAP-Aktie weiter stärker steigen als der Index oder andere Aktien und das Limit wieder erreichen, müssten Fonds, die den DAX abbilden, Anteile verkaufen“, erklärt Vanyo Walter vom Broker RoboMarkets, zuvor selbst lange in der Fondsbranche tätig. Dies reflektiert sich dann natürlich auch in DAX-ETFs wie sie mittlerweile führend Amundi anbietet.

Die Mehrmacht macht nicht richtig mit

Neun von 40 bedeutet aber auch, dass viele DAX-Werte kaum an der Rally der vergangenen Jahre teilgenommen haben und noch weit unter ihren Höchstständen notieren. In der Tat gibt es viele traurige Beispiele: Allianz und Mercedes-Benz notieren 40 Prozent unter ihren Höchstständen, bei Infineon und Deutsche Telekom sind es rund 70 Prozent. Besonders bitter ist die Bilanz bei den Finanzwerten: Nach Daten des Smartbroker liegen Deutsche Bank und Commerzbank rund 90 Prozent unter dem Gipfel. Im MDAX und SDAX sieht es zu weiten Teilen bei deutschen Aktien mittlerer Größe so aus als hätten sie gerade einen Crash hinter sich denn einen jahrelangen Aufwärtstrend an den Aktienmärkten. Firmen wie Jungheinrich, Wacker Chemie, Gerresheimer, Fraport, Lufthansa oder Carl Zeiss bilden das Trauerspiel gut ab.

Bewertung passt

Unter Bewertungsgesichtspunkten bietet der DAX eine erfrischende Alternative zu den hoch bewerteten US-Börsen. Laut Daten des Smartbrokers liegt das 2024er-KGV von rund 13 liegt im Bereich des langjährigen Durchschnitts, auch andere Kennzahlen wie das Kurs-Cashflow- und das Kurs-Buchwert-Verhältnis deuten nicht auf Übertreibungen hin. Die Analysten haben ihre Gewinnschätzungen für den DAX bis Anfang April sogar deutlich nach unten korrigiert. Auch die Prognosen für 2025 zeigen rote Vorzeichen. Schwierig bleiben die Aussichten für die Automobilhersteller.

Die niedrige Bewertung mit KGVs zwischen fünf bis zehn zeigt aber, dass der Markt bereits vorbereitet ist und kaum größere Schocks drohen. Auch andere Titel wie Infineon oder Airbus bieten nach den jüngsten Rückschlägen wieder ein deutlich attraktiveres Chance-Risiko-Verhältnis als noch vor wenigen Wochen. Am Börsenparkett ist ohnehin schon seit einigen Monaten eine spezielle Wette im Gespräch nämlich jene auf das Ende der Ampel. Viele Investoren warten nur auf, dass sie Deutschland bei einer anderen Politik eine neue Chance geben können. Bloß könnte dies vermutlich noch ein Jahr dauern.     

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