
Vanyo Walter ist seit Juni 2023 Managing Director bei der RoboMarkets Deutschland GmbH.
FR: Herr Walter, nach einem sehr turbulenten Start in den April kehrt derzeit ein Hauch von Normalität an den Märkten ein. Ist das die Ruhe vor dem Sturm?
Vanyo Walter / Robomarkets: Es ist zumindest eine Phase des Luftholens. Die Märkte haben in der letzten Woche heftig auf die Eskalation im Handelsstreit reagiert – nicht nur wegen der neuen Zölle, sondern auch, weil das Vertrauen in politische Steuerungsfähigkeit gelitten hat. Jetzt versuchen viele Investoren, die Lage neu zu sortieren. Das ist typisch für unsichere Phasen: Der erste Schock wird verdaut, aber die Grundspannung bleibt.
FR: Die EZB steht kurz vor einer weiteren Zinssenkung. Was erwarten Sie von der geldpolitischen Sitzung in dieser Woche?
Vanyo Walter: Die Zinssenkung um 25 Basispunkte ist weitgehend eingepreist. Viel spannender wird der Ton sein, den Christine Lagarde anschlägt. Wir nähern uns dem neutralen Zinsniveau – das heißt: Die EZB kann nicht mehr endlos weiter senken, ohne strukturelle Risiken einzugehen. Gleichzeitig bleiben die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch den Handelsstreit und schwaches Wachstum fragil. Die EZB wird daher vermutlich eine datenabhängige Politik betonen und sich Spielraum für spätere Maßnahmen offenhalten.
FR: In den USA hingegen drängt Präsident Trump öffentlich auf tiefere Leitzinsen. Wie sehen Sie die Handlungsfreiheit der Fed?
Vanyo Walter: Die Fed steht unter starkem politischem Druck, bleibt aber – zumindest offiziell – unabhängig. Derzeit gibt es keine klare wirtschaftliche Notwendigkeit für eine Zinssenkung. Die Inflation ist zwar stabil, aber die neu eingeführten Zölle wirken preistreibend. Das spricht gegen eine sofortige Lockerung. Trotzdem dürfte der politische Druck auf die Notenbank weiter steigen – vor allem, wenn sich die Konjunktur im zweiten Halbjahr spürbar abkühlt.
FR: Wie reagieren die Märkte aktuell auf neue Eskalationen im Handelskonflikt? Wirkt sich das überhaupt noch aus?
Vanyo Walter: Interessanterweise fällt die Marktreaktion zunehmend verhalten aus. Letzte Woche hätte eine Meldung wie die jüngste Eskalation durch Trump wohl zu einem deutlicheren Einbruch geführt – jetzt sehen wir eher moderate Rückgänge. Das kann auf eine gewisse Abstumpfung hindeuten, aber auch auf Hoffnung: Denn China hat Gesprächsbereitschaft signalisiert. Anleger rechnen nach viel Theater also letztlich mit einem Kompromiss.
FR: Was sollten Anleger in diesem Umfeld beachten?
Vanyo Walter: Das wichtigste ist derzeit, das große Bild nicht aus den Augen zu verlieren. Wir befinden uns in einem politischen Spannungsfeld, das Märkte kurzfristig treiben oder belasten kann. Gleichzeitig rücken fundamentale Faktoren wie Unternehmensgewinne und Konjunkturtrends wieder stärker in den Fokus – gerade jetzt zum Start der Berichtssaison. Wer investiert, sollte deshalb flexibel bleiben und Szenarien durchdenken – statt sich nur von Schlagzeilen treiben zu lassen.