
Vanyo Walter ist Managing Director bei der RoboMarkets Deutschland GmbH.
FR: Herr Walter, die EZB hat die Leitzinsen zum zweiten Mal in Folge unverändert gelassen und klingt zugleich weniger locker. Ist die Tür für weitere Senkungen zu?
Vanyo Walter: Nicht ganz. Vordergründig sagt die EZB: Das aktuelle Zinsniveau passt, die Risiken wirken ausgeglichener – auch wegen des EU-USA-Handelsabkommens. Gleichzeitig zeigen die neuen Projektionen ein gemischtes Bild, sodass die Notenbank ausdrücklich „von Sitzung zu Sitzung“ entscheidet. Faktisch bleibt ein leichter Lockerungs-Bias bestehen, falls die Konjunktur schwächer ausfällt als erhofft.
FR: Wie schätzen Sie den Wachstumspfad ein – und was heißt das für Deutschland und den Euroraum?
Vanyo Walter: Für 2025 wurde das Wachstum zwar auf 1,2 % angehoben, aber nur wegen der starken ersten Jahreshälfte; für den restlichen Zeitraum ist das Bild eher verhaltener. Belastend wirken höhere Zölle, ein stärkerer Euro und der härtere globale Wettbewerb. Stützen könnten steigende Realeinkommen sowie Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung – vorausgesetzt, der private Konsum zieht wirklich an.
FR: Und die Inflation – ist das Ziel nun „nachhaltig“ in Sicht?
Vanyo Walter: Kurzfristig fällt der Rückgang wegen Energiefaktoren flacher aus, danach verläuft die Inflation gedämpfter. Spannend ist die Kernrate: Für 2027 erwartet die EZB 1,8 % – also den unteren Rand des Zielbereichs. Das basiert u. a. auf einem abebbenden Lohndruck (EZB-Wage-Tracker) und dem stärkeren Euro. Heißt: Ein kleiner negativer Schock könnte schon genügen, um wieder Richtung Lockerung zu argumentieren.
FR: Was wären in diesem Umfeld die Trigger für die nächste Entscheidung?
Vanyo Walter: Drei Dinge: Erstens der Ausblick auf die Gesamt- und Kerninflation, zweitens die „Transmission“ der bisherigen Schritte in die Realwirtschaft, drittens die reale Wachstumsdynamik. Bleibt die Kerninflation am unteren Rand und das Wachstum enttäuscht, nimmt die Wahrscheinlichkeit zusätzlicher Senkungen wieder zu – auch wenn die EZB das aktuell nicht signalisiert.
FR: Welche Konsequenzen ziehen Anleger daraus?
Vanyo Walter: Taktisch spricht das für einen ausgewogenen Ansatz: etwas längere Laufzeiten als Stabilisator im Rententeil, qualitativ hochwertige Unternehmensanleihen, und bei Aktien selektiv bleiben – Titel mit Preissetzungsmacht und soliden Bilanzen bevorzugen. Währungsseitig den stärkeren Euro im Blick behalten, aber nicht übergewichten. Insgesamt: Kein „All-in“ auf Lockerung, aber die Option darauf mitdenken.