Haben Sie sich in den letzten Monaten einmal gefragt, warum der DAX im Vergleich zum amerikanischen Nasdaq-Index immer weiter zurückfällt? Die Antwort ist so einfach wie ernüchternd. Die Welt des Geldes glaubt an die USA aber nur sehr begrenzt an Deutschland. Auf den ersten Blick erkennt man dies am Nasdaq-Index, der innerhalb weniger Monate 3.000 Punkte gegenüber dem DAX gewonnen hat. „Er liegt 1.000 Punkte vor dem DAX und schaute vor nicht allzu langer Zeit noch auf einen Rückstand von 2.000 Punkten“, so Marcus Landau, Derivateexperte bei der DZ Bank. Ein Grund liegt wie so oft beim Gewinn. Vor drei Monaten lagen die Markterwartungen für den DAX noch bei einem Gewinnplus von stolzen 16 Prozent. Nach der jüngsten Berichtssaison muss man konstatieren: Es werden wohl nur sieben Prozent sein. Und selbst diese Zahl ist geschönt, denn der Finanzsektor allein liefert hier einen satten Beitrag von sechs Prozentpunkten. Ohne die Banken würde es somit sehr trübe aussehen.
Im Maschinenraum
Blicken wir unter die Motorhaube des Index. Historisch betrachtet wird in einer Aufwärtsbewegung 60 Prozent des Indexzuwachses durch Gewinnsteigerungen der Unternehmen begründet und 40 Prozent durch eine Ausdehnung der Bewertungen, vor allem den Kurs-Gewinn-Verhältnissen. Anleger sind also bereit, mehr für den gleichen Euro Gewinn zu zahlen. Doch aktuell läuft die Mechanik nicht mehr rund. Die Kluft zwischen den Erwartungen und den tatsächlich gelieferten Fakten ist mittlerweile so groß wie bei der aktuellen Bundesregierung unter Friedrich Merz: Große Ankündigungen, dürftige Realität – so zumindest aus Sicht internationaler Anleger.
Die Gewinne kommen nicht voran
Noch drastischer wird es im langfristigen Bild: So sind die längerfristigen Analystenerwartungen für die DAX-Unternehmensgewinne seit Anfang 2024 um lediglich vier Prozent gestiegen. „Der Kursindex ist im gleichen Zeitraum aber um 30 Prozent nach oben geschnellt“, so Lars Reichel von gettex. Das ist keine fundamentale Stärke, das ist viel heiße Luft. „Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) hat sich von moderaten elf auf rund 15 ausgeweitet. Die Hausse wurde also fast ausschließlich von der Bewertungsexpansion getragen, nicht von den Gewinnen“, so Stefan Riße von Acatis. Vor diesem Hintergrund erscheint es unwahrscheinlich, dass die Bewertungskennzahlen im Jahr 2026 noch weiter steigen können. Für ein erfolgreiches Börsenjahr 2026 müssen endlich wieder fundamentale Treiber in den Vordergrund treten: Höhere Unternehmensgewinne, wachsende Buchwerte und attraktive Dividenden.
Analysten geben Merz die zweite Chance
Und hier liegt der springende Punkt für das kommende Jahr. Ähnlich wie vor zwölf Monaten werden die Analysten nicht müde, mit einem fast schon pathologischen Optimismus in die Zukunft zu blicken. Das gehört zu ihrem Jobprofil, schließlich steigen Märkte langfristig. Konkret rechnen die Experten für 2026 mit einem Gewinnwachstum der DAX-Unternehmen von 14 bis 15 Prozent – und das nach Jahren enttäuschender Ergebnisse. So wird für 2025 derzeit nur mit einem mageren Plus von rund drei Prozent gerechnet. Zur Einordnung dieser Ambition: Damit würde der DAX die Erwartungen für den Euro Stoxx 50 (gut zehn Prozent) übertreffen und auf Augenhöhe mit dem mächtigen S&P 500 agieren. Hoffen kann man doch mal.