FR: Herr Walter, Frankfurt ist zum fünften Mal Austragungsort eines großen internationalen Fußballturniers. Ein Boost für die Stadt und natürlich auch für Deutschland?
Vanyo Walter – RoboMarkets: Am Montag konnten wir uns von der ausgelassenen Stimmung überzeugen. Vor allem die Belgier waren im Stadtzentrum sehr präsent. Davon darf man sich aber aus wirtschaftlicher Sicht allerdings nicht täuschen lassen. Obwohl solche Großveranstaltungen wie die Fußball-EM eine ausgelassene Stimmung und erhöhte Aktivität in den Austragungsorten erzeugen, ist der direkte Effekt auf die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung Deutschlands eher gering. Studien zeigen, dass die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung durch solche Events kaum nennenswert beeinflusst wird.
FR: Welche Segmente der Wirtschaft profitieren dennoch?
Vanyo Walter: Besonders profitieren die Tourismus-, Beherbergungs- und Gastronomiebranche. Durch hohe Auslastungsgrade und teilweise deutlich höhere Preise können diese Segmente ihren Umsatz und ihre Margen steigern. Beispielsweise schätzt das ifo-Institut die zusätzlichen Ausgaben durch ausländische Touristen im zweiten Quartal 2024 auf etwa +1 Mrd. Euro oder 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung.
FR: Gibt es auch Bereiche, die durch die Fußball-EM Nachteile erfahren?
Vanyo Walter: Ja, tatsächlich gibt es auch Bereiche, die Umsatzausfälle verzeichnen. Dazu gehören zum Beispiel Theater und sonstige Freizeiteinrichtungen, deren Besucherzahlen während der EM sinken. Diese Umsatzeinbußen können die positiven Effekte in anderen Bereichen teilweise kompensieren.
FR: Wie könnte das Turnier langfristig positive Effekte auf die Wirtschaft haben?
Vanyo Walter: Obwohl schwer messbar, könnte ein emotionaler Effekt eine wichtige Rolle spielen. Wenn das Turnier positiv verläuft und einen bleibenden Eindruck hinterlässt, könnte dies den privaten Konsum ankurbeln. Dies wäre insbesondere wichtig, da stark steigende Nominallöhne und gesunkene Inflationsraten die Kaufkraft vieler Menschen erhöhen. Ein positiver Stimmungsschub könnte somit zu einer stärkeren wirtschaftlichen Belebung im weiteren Jahresverlauf beitragen.
FR: Wie beurteilen Sie die derzeitige Stimmungslage unter den Unternehmen und ihre Erwartungen für die Zukunft?
Vanyo Walter: Besonders in Europa sind die Geschäftserwartungen zuletzt stetig gestiegen. Diese Indikatoren sind wichtig, da sie neben den Geschäftserwartungen auch Beschäftigungs- und Preiskomponenten beinhalten, die maßgeblich die Börsenkurse beeinflussen könnten. Trotz geopolitischer Unsicherheiten und struktureller Schwächen in Deutschland könnte ein emotionaler Ruck durch die Fußball-EM zu mehr Tatkraft und Zuversicht in der Wirtschaft beitragen.