Die monatlichen Nachrichten aus der deutschen Industrie sind alles andere als lustig. Ist es fast ein kleines Wunder, dass die Stimmung am Aktienmarkt so positiv ist?
Im Juni und Juli stehen in fast allen Branchen Sommerfeste an. Bei den Industrieverbänden fielen die Gespräche in diesem Jahr nicht nur gedämpft aus, sondern vielmehr brachten auch sonst zurückhaltende Verbände ihren Unmut über die Ampel-Koalition zum Ausdruck. In der Finanzszene dagegen ist wenigstens dank des Marktumfelds die Stimmung gut. Ein DAX kurz vor Rekordhoch überdeckt immer größer werdende Regulierungsanforderungen und Vorschriften. Bei den üblichen Festen sind natürlich auch die Broker vertreten zumal das Segment seit dem Markteintritt von Trade Republic besondere Aufmerksamkeit erfährt.
Mit der Rally an den Aktienmärkten bleibt also auch die Stimmung bei den deutschen Brokern gut. Zwar fehlte im ersten Halbjahr die Volatilität auf Indexbasis, doch Aktien wie Nvidia oder Microsoft rissen vieles heraus. Mit anderen Worten – für Broker und aktive Anleger ist es immer am schönsten, wenn ein Markt hohe Schwankungen ausweist. Dann macht aktives Trading besonderen Spaß. Andererseits sind aber die meisten Anleger von Natur aus „Aktien long“ und setzen auf steigende Kurse. Wer Technologie-Aktien im Portfolio hat oder simpel auf Nasdaq oder DAX gesetzt hat, fährt 2024 bisher sehr gut und der Broker mit ihm. Interessanterweise konnten die Broker-Aktien nur teilweise profitieren. Dabei gibt es reichlich Neuerungen.
Aktien begrenzt mit dabei
Aktien von Brokern fristen oft ein Schattendasein und tauchen allenfalls auf dem Radar von Nebenwerte-Spezialisten auf. Dabei bieten die Titel viel Fantasie und eine knackige Performance, wenn das Umfeld stimmt. Zuletzt sprang die Aktie von flatexDEGIRO innerhalb von 3 Monaten um 30 Prozent nach oben. Großaktionär Bernd Förtsch äußerte sich öffentlich mehrfach kritisch über die schwache Entwicklung. Mit einer neuen Ausrichtung will er für frischen Schwung sorgen. An neuen Produkten wie etwa Kryptowährungen wird gearbeitet.
Auch bei der Smartbroker-Aktie ist die Ausgangslage spannend. Seit Jahresbeginn verlor der Kurs 30 Prozent und hat sich seit August vergangenen Jahres sogar halbiert. Inzwischen kratzt die Marktkapitalisierung an der Schallmauer von 100 Millionen Euro. Doch es gibt gute Gründe, dass die Talsohle durchschritten ist und die Aktie auf Comeback-Kurs geht. Nachdem die Berliner einige Hürden überwinden mussten und die App endlich läuft, rückt nun das Neukundenwachstum in den Fokus. Hier kann aus dem Vollen geschöpft werden, denn das für 2024 reservierte Werbebudget blieb bislang nahezu unangetastet.
Mehr als Performance
Punkten will der Neobroker mit einem deutlich erweiterten Angebot an Aktiensparplänen, die seit Sommer kostenlos sind. Zudem wurde die Mindestrate, die monatlich in den Sparplan eingezahlt werden muss, von 25 auf 1 Euro gesenkt. Im Fokus stehen vor allem junge, aber auch nicht so vermögende Anleger, die mit einem neuen Preismodell offensiv angesprochen werden sollen. Man geht damit in direkte Konkurrenz beispielsweise zu Trade Republic, die im ersten Halbjahr technisch doch einige Probleme lieferten und Kunden verärgerten. Bei der Berliner Smartbroker-Konkurrenz sinkt die Gebühr pro Order bei einem Anlagebetrag bis 499,99 Euro von bisher vier auf dauerhaft einen Euro. Darüberhinausgehende Orders bleiben kostenfrei. In diesem Jahr sollen rund 27.000 neue Kunden gewonnen werden, für nächstes Jahr peilt man 80.000 an. Um sich noch breiter aufzustellen, wird bald auch der Handel mit Kryptowährungen möglich sein. Der Start ist für das dritte Quartal geplant.
Börsen mit frischem Angebot
Das Wettbewerbsumfeld ist in ständiger Bewegung, wie die jüngsten Brokerangebote zeigen. Doch auch die Börsen positionieren sich und machen mit neuen Tools auf sich aufmerksam. Erst kürzlich hat die Tradegate einen eigenen Neo-Broker unter dem Namen tradegate.direct an den Start gebracht. Anfang Juli folgte gettex aus München mit neuem Onlineauftritt und vor allem dem stetigen Gewinn von Marktanteilen vor allem im Vergleich zur Frankfurter Börse.
Für das zweite Halbjahr gibt es in Sachen Marktumfeld nun zwei potenziell gute Ausgänge: Entweder korrigiert der Markt und die Volatilität schnellt nach oben oder aber die Rally wird noch weiter ausgebaut. Einzig negativ wäre eine lahme und lähmende Seitwärtsbewegung auf aktuellem Level. Dann zeigen aktive Anleger wenig Aktivität und dies schmeckt Brokern natürlich am wenigsten.