In sieben Monaten fällt in den USA die wichtigste politische Entscheidung des Jahres. Ob Trump oder Biden bis 2028 regieren werden ist für jeden bedeutsam und für Anleger ganz speziell. Nikki Haley hat die Segel gestrichen.
Die Wahlnacht am 9. November 2016 war spannender als die meisten Tatorte der vergangenen vierzig Jahre. Im Morgengrauen, kurz vor Handelsbeginn in Europa, hatte sich Donald Trump offenbar gegen Hillary Clinton durchgesetzt. Der DAX rutschte zur Eröffnung um fast vier Prozent ins Minus, Gold taumelte, auch der US-Dollar gab zeitweise kräftig nach. Trump als unberechenbar geltender Wahlsieger verschreckte die Börsen. Eine überraschend präsidiale Siegesrede veranlasse die opportunistischen Investoren dann blitzschnell zur Meinungsänderung. „Die Aktienmärkte kletterten im Tagesverlauf damals irrsinnige sechs Prozent, Zinsmarkt und Dollar beruhigten sich ebenso wie der Goldpreis“, erinnert sich Vanyo Walter vom Broker RoboMarkets. Gut vier Wochen später folgt eine fulminante Trump-Rally von 20 Prozent bis zum Sommer 2017. Um 2024 zu verstehen sollte man 2016 also in Erinnerung haben.
2016 reloaded
Denn knapp acht Jahre später will es Trump noch einmal wissen. Die Entscheidung am 4. November wird eine Wahl mit umgekehrten Vorzeichen: 2020 setzte sich Joe Biden gegen Donald Trump durch, jetzt will der Republikaner zurück ins Weiße Haus. Für den Herausforderer hätte der Start mit zwei klaren Siegen bei den republikanischen Vorwahlen kaum besser laufen können. Für die Börse verspricht sein gewöhnungsbedürftiger Regierungsstil bei einem erneuten Triumph vor allem mehr Volatilität. Beim letzten Mal lagen in den ersten zwölf Monaten der vergleichbare DAX-Kursindex und der S&P 500 noch fast gleichauf.
Ab Ende 2017 ging die Schere jedoch auseinander: US-Aktien profitierten von Trumps „America First“-Motto und erreichten Rekordhochs, die Trump auf Twitter feierte. Hingegen wurde aus dem DAX Kapital abgezogen. Zölle auf europäische Waren und die Angst vor einem Handelskrieg schreckten ab. „Deutet sich ein Wiederwahl Donald Trumps und seiner America First Politik an, dann dürfte das die Bewertungsaufschläge amerikanischer Aktien womöglich weiter erhöhen. Denn stellt er die Nato tatsächlich in Frage, würde Sicherheitsarchitektur Europas extrem geschwächt“, sagt Stefan Riße, Kapitalmarktstratege bei Acatis Investment, diesmal neue Probleme voraus.
Gefahren für Europa – Profiteur USA
Somit erscheinen mittel- bis langfristig vor allem deutsche Aktien aufgrund der hohen Exportabhängigkeit durch einen Wahlsieg Trumps besonders gefährdet. Schweizer Werte und der britische Markt dürften weniger leiden. „America First würde auch bedeuten, dass im ersten Schritt der US-Dollar Rückenwind bekäme“, so Vanyo Walter vom Broker RoboMarkets. Er gibt aber zu bedenken, dass Trumps mögliche Eingriffe Richtung US-Notenbank und ein Plädoyer für tiefe Zinsen mittelfristig kontraproduktiv für den US-Dollar wären. Statistisch hat der S&P 500 nach einer Auswertung des Brokers ActivTrades in den vergangenen 100 Jahren unter einem demokratischen Präsidenten mit gut 15 Prozent deutlich stärker zugelegt als unter einem republikanischen mit 9 Prozent. Auch kurzfristig dürften die Märkte freundlicher reagieren, wenn ein Präsident wiedergewählt wird, da das Risiko negativer Überraschungen sinkt.
Trump macht das Licht aus
Größere Auswirkungen hat der Wahlausgang vor allem auf einzelne Branchen. Bleibt das Weiße Haus in den Händen der Demokraten, schöpfen vor allem Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien neue Hoffnung. Bidens Traum einer klimaneutralen US-Wirtschaft bis 2050 rückt angesichts der US-Staatsverschuldung von 34 Billionen Dollar und schwieriger Mehrheitsverhältnisse in weite Ferne. Der Inflation Reduction Act, das bisher größte Klimaschutzpaket der USA, sieht massive Subventionen für den gesamten Bereich der erneuerbaren Energien vor. „Da Donald Trump nicht an Klimawandel glaubt, könnte er den Inflation Reduction Act wieder abschaffen. Es dürfte dann zu einer großen Umschichtung von Green Energy Aktien in die alte Welt der Mineralölfirmen kommen“, so Acatis-Experte Stefan Riße. Wenig verwunderlich wäre somit, falls auch heimische Unternehmen besorgt über den Atlantik schauen. SMA Solar will seine Präsenz in den USA wieder ausbauen. Sollte Trump allerdings ins Weiße Haus einziehen, dürften über dem Solarsektor mit Titeln wie Solaredge und Enphase vermehrt dunkle Wolken aufziehen.
Nachhaltigkeit second
Klimawandel und Nachhaltigkeit sind zwei Themen, die für Trump weit unten auf der Agenda stehen. Wie seine letzte Amtszeit deutlich gezeigt hat, ist er ein Mann des schwarzen Goldes. Noch kurz vor Ende seiner Amtszeit setzte er ein umstrittenes Ölförderprojekt in einem großen Schutzgebiet in Alaska durch, um Amerikas Unabhängigkeit von Energielieferungen zu sichern. Bei Unternehmen wie Exxon Mobil und Chevron dürften daher die Sektkorken knallen, wenn Trump wieder gewinnt.
Waffen first
Auch schärfere Waffengesetze sind unter republikanischer Führung wohl kein Thema, gut für Aktien wie Smith & Wesson. Schwieriger sieht es für internationale Rüstungsunternehmen wie Lockheed Martin und Northrop Grumman aus. Grundsätzlich dürfte unter Trump ein größerer Teil des Budgets in die Aufrüstung des Militärs fließen. Biden hat sich hingegen klar zur Nato und zur Unterstützung der Ukraine bekannt, während dies unter Trump alles andere als sicher ist.
Banken, Meta und Zinsmarkt betroffen
Klarer ist die Situation für Finanzwerte wie JPMorgan, Goldman Sachs & Co. Die Institute dürften von einer höheren Volatilität an den globalen Finanzmärkten und der Aussicht auf nachlassenden Regulierungsdruck profitieren, wenn sich der republikanische Elefant gegen den demokratischen Esel durchsetzt. „Ebenfalls profitieren könnten Titel aus dem Bereich der Technologie, denen Trump eher wohlgesonnen erscheint wozu beispielsweise die Aktie von Meta gehört, die schon nach der ersten Vorwahl einen Freudenhüpfer lieferte“, so RoboMarkets-Analyst Jürgen Molnar.
Zu guter Letzt wäre eine Spekulation auf den Anleihemarkt verlockend, denn sinkende Zinsen und damit eine Befeuerung der Wirtschaft wären für Donald Trump klares Wunschszenario. „Im Börsianer deutsch heißt dies, dass man Anleihen long und Zinsen short geht“, so RoboMarkets-Experte Walter. Wer noch mehr riskieren möchte, sollte sich Kommunikationstitel anschauen, die Trump für seinen Wahlkampf einspannen könnte. Dazu gehören Digital World Acquisition und Phunware. Aber Vorsicht: Trump ist immer für Überraschungen gut und niemand kann garantieren, dass 2016 die Blaupause für 2024 wird.