Die Reaktionen auf die Quartalszahlen von Tesla und Netflix waren ein erster Realitätscheck für Technologieaktien. Die Leitbörse Nasdaq hat in den letzten 12 Monaten fast 55 Prozent zugelegt. Es könnte des Guten einfach zuviel sein.
Aktien sind dann ausgereizt, wenn Aktien auf sehr gute Zahlen und im Prinzip sehr gute Aussichten nicht mehr steigen. „Der Börsianer hat hierfür den Begriff sell on good news erfunden“, erläutert Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Bei jenem Broker waren ebenso wie bei Trade Republic oder Smartbroker in den letzten Wochen fast täglich die meist gesuchten und gehandelten Einzelaktien Tesla, Nvidia, Apple, Amazon und Meta. Dies sind genau jene Titel, die der Nasdaq das Plus von 55 Prozent im letzten Jahr ermöglichten. „Noch nie war die Gewichtung der sieben größten Tech-Titel an der Nasdaq so dominant und noch nie zuvor waren sie so wichtig für die Kursentwicklung im Gesamtindex“, rechnet RoboMarkets-Experte Molnar vor.
Die wunderbare Performance in Abhängigkeit von gut einem halben Dutzend Aktien birgt aber auch Risiken für alle, die beispielsweise glauben, mit dem Nasdaq einen sehr breiten und diversifizierten Index zu kaufen. Oder mit anderen Worten – ein Nasdaq-Sparplan in den vergangenen Monaten war zum Großteil eine erfolgreiche Wette auf Amazon, Apple, Netflix, Google, Meta, Tesla und Nvidia.
Rosarot gepreist
Mit dem Beginn der Quartalssaison rücken Konjunktur und Geldpolitik wieder etwas in den Hintergrund, mit den US-Banken begann traditionell die US-Berichtssaison. „Vor allem bei den Überfliegern seit Jahresbeginn werden Investoren genau hinschauen“, meint auch Volker Meinel von BNP Paribas. „Microsoft, Apple, Alphabet und Amazon stehen hier mit bisherigen Jahresgewinnen von 35 bis 55 Prozent im Fokus, noch stärker trifft dies auf Tesla mit mehr als 110 Prozent Zuwachs und Nvidia mit rund 210 Prozent zu.“, ergänzt Meinel.
Auf den ersten Blick ist die Ausgangslage für positive Überraschungen zwar durchaus vorhanden, denn an der Wall Street wird erneut eine bewährte Strategie gespielt. Wie schon so häufig in der Vergangenheit sind zuletzt die Gewinnprognosen gefallen. Ende des ersten Quartals wurde noch ein Minus von knapp fünf Prozent erwartet, jetzt droht ein satter Gewinnrückgang im Jahresvergleich von gut sieben Prozent.
Zur Einordnung: Dies wäre der stärkste Rückgang seit dem zweiten Quartal 2020. Weil aber die zu tiefen Erwartungen meist um rund fünf Prozent übertroffen werden, steigt der S&P 500 im Durchschnitt während der US-Berichtssaison um gut zwei Prozent. Dieses Jahr ist der Markt allerdings seit Ende März um sieben Prozent gestiegen und notiert am Jahreshoch. Aktienkurse rauf, Gewinnerwartungen runter, so könnte man die vergangenen Wochen zusammenfassen. Und dies lässt natürlich Fragen aufkommen. „Denn ausreichend Spielraum für Enttäuschungen ist bei einem KGV von 19 im S&P 500 nicht vorhanden“, findet Jürgen Molnar.
Hohe Erwartungen an Energieaktien
Schaut man etwas tiefer in die Daten, leuchtet ein weiterer Risikofaktor auf, wie Dennis Austinat, Deutschland-Chef der internationalen Multi-Asset-Plattform Trive, erläutert: „Das deutliche Minus bei den Gewinnprognosen für das zweite Quartal basiert größtenteils auf dem Energiesektor. Fallende Ölpreise haben tiefe Bremsspuren in den Bilanzen hinterlassen mit einem Ergebniseinbruch von rund 50 Prozent. Für die restlichen Unternehmen im S&P 500 wird hingegen nur ein minimales Gewinnminus erwartet“.
Besonders hohe Erwartungen sind an die Zykliker aus dem Konsumbereich gerichtet mit einem Gewinnplus von 27 Prozent. Aufgehen wird die Wette allerdings nur, wenn vor allem Amazon gegen Monatsende seine Bücher öffnet und überzeugt. Lässt man den Tech-Giganten außen vor, sackt das erwartet Gewinnwachstum von 27 auf sechs Prozent ab.
Überschaubares Risiko in Europa
In Europa sieht die Ausgangslage hingegen anders aus, findet Ricardo Evangelista, Senior Analyst bei ActivTrades: „Auch hier sind die Erwartungen seit dem Ende des ersten Quartals gefallen, weil es eine Serie schwacher Konjunkturdaten gegeben hat“. Anders als der S&P 500 ist der EuroStoxx 50 allerdings nicht weiter gestiegen, sondern um knapp zwei Prozent gefallen und bewegt sich eigentlich seit Februar nicht mehr von der Stelle. Ganz nebenbei ist dies nach wie vor ein prima Umfeld für Bonuszertifikate mit Seitwärtsrenditen wie jenes mit der WKN DW9VT3 der DZ Bank mit einer Bonusrendite von 8 Prozent p.a und 25 Prozent Puffer bis zur Bonusbarriere.
Zieht man dazu die Bewertung mit einem KGV von zwölf für Europas Leitindex sowie elf für den DAX hinzu, erscheint das Risiko überschaubarer als in den USA. Zumal die Indizes auf dem alten Kontinent mit einer Dividendenrendite von vier Prozent auf dem Papier noch ähnlich attraktiv aussehen als Anleihen, während es in den USA nur zwei Prozent Dividende gibt. Der anstehende Realitätscheck könnte also vor allem an der Wall Street bei den Techs für Bewegung sorgen.