Skip to main content
Tradingideen

US-Zinsen mit bösen Erinnerungen

Hohe Zinslasten sind für keine Volkswirtschaft der Welt produktiv. Im Falle der USA erinnert man sich unangenehm 20 Jahre zurück.

Der Analyst Marko Kolanovic aus den USA ist bekannt für pointierte Meinungen und gleichzeitig unangenehme Wahrheiten. In der vergangenen Woche machte er darauf aufmerksam, dass die Zinsen für 30-jährige US-Staatsanleihen auf dem höchsten Level seit 2023 seien. So weit, so gut. Gleichzeitig liegen sie aber auch so hoch wie seit 2007 nicht mehr und Kolanovic erinnerte somit an die Immobilien- und Schuldenkrise in den USA. An der Börse gilt zudem, dass der Zinsmarkt die Wahrheit sagt, so Stefan Riße von Acatis. Diese Weisheit unter Investoren gilt seit Jahrzehnten. Ist dem auch diesmal so, sollte man sich anschnallen.

AAA ist vorbei

Denn die letzte der drei großen Ratingagenturen entzog den USA Mitte Mai die Top-Bonität. Ein Schritt, der nicht völlig überraschend kam – immerhin hatte Moody’s den Ausblick bereits im November 2023 von „stabil“ auf „negativ“ gesenkt –, aber dennoch historisches Gewicht hat: Erstmals seit Jahrzehnten gewährt keine der „Big Three“ den Vereinigten Staaten mehr die Bestnote. Erinnerungen werden wach an den Sommer 2011, als Standard & Poor’s den Daumen senkte. Nach wochenlangen Schuldenstreit-Debatten sackte der S&P 500 damals innerhalb von gut zwei Wochen um knapp 20 Prozent ab und blieb noch monatelang nervös. Die aktuellen Marktreaktionen fallen im Vergleich geradezu gelassen aus. Es ist daher eher ein weiterer Kratzer im Lack der vermeintlich unantastbaren Weltmacht.

Mathias Beil, Leiter Private Banking bei der Hamburger Sutor Bank, verweist hingegen auf Ausweichaktionen und stellt fest, dass „die Ankündigung, Hunderte Milliarden Euro an neuen Mitteln über den Kapitalmarkt zu mobilisieren, an den europäischen Börsen kurzfristig Euphorie ausgelöst hat. Strukturell aber bleibt der US-Markt wegen seiner Deregulierung, seiner Innovationskraft und seiner unternehmerischen Freiheit weiterhin attraktiv“. Die Börsen dort haben über Jahrzehnte hinweg in Summe besser performt – trotz oder gerade wegen geringerer staatlicher Eingriffe. Ein aktuelles Beispiel für Regulierung in Deutschland ist übrigens aktuell der geplante Eingriff der BaFin bei Turbo-Optionsscheinen, die ein klassisches Produkt für selbst entscheidende und mündige Anleger sind und die keine weitere Regulierung benötigen, da Anleger in diesem Sektor genau wissen, was sie tun. Und Turbo-Optionsscheine übrigens auch sehr gut als Hedge, sprich Absicherung, einsetzen können. Womit wir wieder beim US-Markt wären.

Denn es gibt durchaus Warnsignale. „Dass die Rendite der 30-jährigen US-Bonds just die Marke von 5 Prozent überschritten hat, ist kein Vertrauensbeweis“, konstatiert Thomas Soltau vom Smartbroker. Die US-Staatsschulden liegen bei 38 Billionen Dollar – rund 125 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. „In absoluten Zahlen sind die USA das höchstverschuldete Land der Welt. Die gesamte EU kommt auf rund 14 Billionen Euro oder 80 Prozent des BIP“, rechnet Vanyo Walter von RoboMarkets vor. Deutschland liegt bei vergleichsweise bescheidenen 2,5 Billionen.

US-Zinsen mit bösen Erinnerungen

Laut Moody’s sollen die Defizite bis 2035 auf neun Prozent des BIP steigen. „In den kommenden vier Jahren müssen Anleihen im Volumen von 28 Billionen Dollar refinanziert werden“, so Experte Walter. Mit dem steigenden Zinsniveau haben sich die Netto-Zinszahlungen zwischen 2020 und 2023 verdreifacht. „Inzwischen ist der Schuldendienst der drittgrößte Ausgabenposten im US-Haushalt – noch vor der Verteidigung“, so Thomas Soltau. Immerhin ein Trost: Als die Zinsen 2022 so hoch waren, beruhigte sich die Lage wieder.

Anleger, die antizyklisch agieren wollen und auf wieder fallende Zinsen in den USA setzen, können dies sogar selbst umsetzen. Dies ermöglicht im Derivatebereich beispielsweise JP Morgen mit seinen Produkten auf steigende Anleihekurse und damit sinkende Zinsen. Dieser Mechanismus ist wichtig zu verstehen, wenn man auf den Zinsmarkt setzen will. Ein Beispiel ist die WKN JL04UF. Dort spekuliert man auf steigende Anleihekurse und sinkende Zinsen bei 10-jährigen US-Treasury-Notes. Mit anderen Worten – Investoren können so auf eine Entspannung bei US-Zinsen setzen.

Hinterlasse ein Kommentar