
Vanyo Walter ist seit Juni 2023 Managing Director bei der RoboMarkets Deutschland GmbH.
Daniel Saurenz: Herr Walter, die Unsicherheit rund um Trumps Zollpolitik scheint der zentrale Faktor für die Märkte zu sein. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?
Vanyo Walter: In der Tat ist die Unsicherheit rund um die Zölle derzeit der dominierende Faktor für das globale Wachstum. Zwar werden neue Ankündigungen von Strafzöllen von den Märkten nicht mehr so panisch aufgenommen wie noch vor einigen Jahren – man sieht sie zunehmend als Teil eines politischen Verhandlungsprozesses –, doch das birgt auch Risiken. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass Trumps Drohungen keine leeren Worte bleiben. Unser Basisszenario geht derzeit von einem effektiven Zollniveau von rund 12 % aus – das wäre historisch hoch, aber nicht maximal eskalativ. Kurz: Die Märkte preisen derzeit Optimismus, aber auch etwas Leichtsinn mit ein.
Daniel Saurenz: In den USA bleibt der Arbeitsmarkt stark, doch zugleich nehmen Stagflationsängste zu. Wie passt das zusammen?
Vanyo Walter: Die Lage ist komplex. Einerseits sehen wir nach wie vor robuste Beschäftigungszahlen und stabile Energiepreise – das spricht gegen eine Rezession. Andererseits wirken die Zölle mit Verzögerung und könnten sich zunehmend dämpfend auf Konsum und Investitionen auswirken. Das könnte zu einer Mischung aus stagnierendem Wachstum und höherem Preisniveau führen – also Stagflation. Noch ist das keine akute Gefahr, aber der Trend weist darauf hin, dass wir uns darauf vorbereiten sollten.
Daniel Saurenz: Die Schuldenpolitik der USA sorgt für Unruhe an den Anleihemärkten. Was beobachten Sie hier genau?
Vanyo Walter: Entscheidend ist aktuell die Entwicklung am langen Ende der Zinskurve. Die Renditen langfristiger US-Staatsanleihen steigen deutlicher als die der kurzen Laufzeiten – ein klares Signal, dass der Markt die steigenden Staatsausgaben zunehmend kritisch sieht. Auch das Thema Fed ist in diesem Zusammenhang relevant. Die Glaubwürdigkeit der Zentralbank muss gewahrt bleiben, vor allem im Kontext möglicher Veränderungen an der Spitze. Die Kombination aus fiskalischer Expansion und politischem Druck auf die Fed ist ein Cocktail, der für Volatilität sorgt.
Daniel Saurenz: Viele Anleger fragen sich, ob Anleihen noch als sicherer Hafen taugen – was denken Sie?
Vanyo Walter: Anleihen bieten aktuell durchaus Renditepotenzial, insbesondere bei steigenden Zinsen. Aber ihre Rolle als klassisches Diversifikationsinstrument hat gelitten. In einem Umfeld mit hoher Verschuldung und geopolitischen Spannungen ist Gold für uns die robustere Absicherung gegen systemische Risiken. Wir sehen Anleihen derzeit eher als Renditebaustein denn als „Schutzengel“ im Portfolio.
Daniel Saurenz: Und der US-Dollar – bleibt er die dominierende Währung oder beginnt hier ein Umdenken?
Vanyo Walter: Der Dollar bleibt vorerst dominant – vor allem wegen seiner Liquidität und seiner Rolle im globalen Finanzsystem. Aber wir sehen erste strategische Umschichtungen. Viele institutionelle Investoren prüfen aktuell, wie hoch ihre US-Dollar-Quote eigentlich noch sein sollte, gerade nach Jahren der Outperformance der US-Märkte. Das heißt nicht, dass der Dollar seinen Status bald verliert – aber eine vorsichtige Diversifizierung ist ein nachvollziehbarer Schritt.