Drei Jahre nach dem Corona-Boom bei den Neo-Brokern steht die Branche vor einer Neubewertung. Die Aktienkurse sind gefallen, die Angebote für die Kunden sind jedoch besser geworden.
Der Zins ist der Preis von Geld. Diese schon recht alte Weisheit hat die Börsen 2022 stattlich nach unten befördert und damit auch das Geschäft der Broker getrübt. So ist es meistens in Bärenmärkten, denn Anleger sind trotz aller Bekundungen der Vorsicht doch meist eher long, sprich auf steigende Kurse eingestellt. Bärenmärkte gehen allerdings häufig mit volatilen Phasen einher, das Auf und Ab an den Börsen nimmt zu. Demzufolge sollte der Broker verlässlich sein und eine Auswertung des letzten Jahres zeigt, dass alte Fehler wie beispielsweise aus Zeiten des Brexit nicht mehr vorgekommen sind. Dies sind gute Nachrichten für aktive Anleger.
Der Broker muss liefern
Denn nicht nur die Corona-Krise hat gezeigt, dass für Anleger vor allem eines wichtig ist: Die Verlässlichkeit und das Angebot des Brokers. Feingold Research hat die wichtigsten Broker 2022 verglichen, ihre Webseiten und Services unter die Lupe genommen, Angebote und den Handel geprüft und über das ganze Jahr besonders an volatilen Handelstagen genau hingeschaut. Dabei wurden Schulnoten von 1 bis 6 vergeben.
Dabei ist die Auswahl an spezialisierten Brokern in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen und von diesem Wettbewerb profitieren wiederum die Anleger. Broker bieten einen spielerischen Zugang zur Börse, immer bessere Tools, moderne Apps und vor allem günstige Konditionen. Dabei haben sie den aktiven Selbstentscheider aber auch den Aktiensparer im Blick. Zinssparen spielte 2022 lange keine Rolle, auch wenn ING und zum Jahresende hin auch DKB mit Lockangeboten versuchten, Neukunden durch Zinsen auf ihre Seite zu ziehen. Flatex wiederum strich vor Weihnachten die Depotgebühren – all das eine Folge der anziehenden Zinslandschaft.
Wer ist fit für stürmischere Zeiten?
Die Aktienmärkte erlebten 2022 eines der schwächsten Börsenjahre seit langem. Obwohl viele Broker keine oder sehr geringe Depot- und Order-Gebühren haben, setzt die miese Börsenstimmung ihren zu. Anleger zogen sich zurück und nur wer im hart umkämpften Wettbewerb in kurzer Zeit möglichst viele Neukunden auf die eigene Plattform holte, hat jetzt die finanzielle Kraft, stürmischere Zeiten mit rückläufigen Wachstumsraten und Margendruck zu überstehen.
Preis-Leistung entscheidet
Gewonnen hat den Servicecheck der Neobroker 2022 der Smartbroker. Die Berliner überzeugen in fast allen Kategorien, zwölf börsliche und elektronische Handelsplätze stehen in Deutschland zur Verfügung, auch ein Direkthandel ist wie bei vielen Konkurrenten möglich. International ist mit dem Anschluss an 25 Börsen im Ausland wie Kanada, Japan und Australien ein 24-Stunden-Handel möglich.
Die Produktpalette ist von allen Neo-Brokern am größten und reicht von Aktien, Anleihen, ETFs, Fonds über Optionsscheine bis Zertifikate. Insgesamt stehen mehr als 1400 sparplanfähige Investmentfonds und mehr als 700 ETF-, ETC- sowie Aktien-Sparpläne zur Verfügung. Bei der Preisstruktur sind die Berliner recht offensiv. Null Euro für die Depotführung, vier Euro Flat Fee, bei mehr als 500 Euro Ordervolumen entfallen sogar die Gebühren, wenn man über den Münchner Börsenplatz Gettex geht.
Konkurrenz beißt sich fest
Es ist nicht leicht, im harten Konkurrenzkampf der Neobroker noch neue Akzente zu setzen. Auch bei Justtrade kommen Trader in den Genuss einer kostenlosen Depotführung, dazu wird exklusiv die Comunity-Plattform wikifolio angeboten. Im Direkthandel mit Zertifikaten hat Justtrade das größte Angebot und bindet die vier Emittenten Citi, UBS, Vontobel und Société Générale an. Im Unterschied zu Smartbroker oder Scalable Capital gibt es allerdings keine Sparpläne für Aktien oder ETFs.
Dafür bietet Justtrade den Handel mit Kryptowährungen an und unterscheidet sich so von allen anderen Neobrokern. Zwar fällt das Angebot nicht ganz so umfassend aus wie bei eToro, mit Bitcoin, Ethereum, Litecoin, Ripple und Bitcoin Cash stehen aber die fünf am stärksten beachteten Digitalmünzen zur Verfügung.
Wenn das Handy zum Pflichtprogramm wird
Im Vergleich zu den anderen Neobrokern zählt Scalable mit dem Start im Juni 2020 zu den jüngsten Anbietern in Deutschland. Vielen dürfte der Name aber schon bekannt sein, denn Scalable war lange Zeit ein reiner Robo-Advisor. Die digitale Vermögensverwaltung wurde somit um ein eigenes Online-Broker-Geschäft erweitert. Neben gettex bietet Scalable auch den Xetra-Handel an. Dagegen ist Trade Republic ein Neobroker der ersten Stunde, quasi der Dino unter den Neobrokern. Was dort für speziell junge Kunden selbstverständlich sein dürfte, könnte manchen älteren Kunden überraschen: Ein funktionierendes Handy ist Pflicht. Denn die App weist eine benutzerfreundliche Oberfläche auf und ist modern aufgebaut. Wer aber klassisch über einen Desktop handeln möchte, findet keine passable Lösung.
Konkurrenz belebt Geschäft
Dieses Pflichtprogramm braucht man bei RoboMarkets nicht. Der Broker ist recht neu am Markt, überzeugt aber vor allem für professionelle Kunden mit einem ausgesprochen kompetitivem Preismodell beim Handel des DAX, aber auch bei Währungen, Aktien oder Rohstoffen. Mit den Konkurrenten Flatex und etoro zeigt der Anbieter, was neben Produktpalette und Preismodell seit Jahren offenbar auch wichtig ist – mediale Präsenz. Im Brokerbereich holen sich die großen Anbieter dies weiterhin über den Sport. Während man ING noch über seine Werbespots mit Dirk Nowitzki kennt, kommt an den drei letztgenannten keiner vorbei, der die Fußball-Champions-League oder die Bundesliga anschaut. Konkurrenz belebt also auch dort das Geschäft.