Kommt jetzt doch noch die harte Rezession? Rohstoffe dürften sich dabei sehr unterschiedlich entwickeln – die Gewinner dürften von einer Sonderkonjunktur profitieren.
Auch wenn die Aktienmärkte in diesem Jahr gut gelaufen sind, sollte eine Tatsache aber nicht vergessen werden. Seit 1915 endeten nur drei der 20 Zyklen von Zinsanhebungen bei der amerikanischen Notenbank nicht in einer Rezession. Die fast beispiellos lockere Geldpolitik im abgelaufenen Jahrzehnt, gefolgt vom zweitschnellsten Zinserhöhungszyklus aller Zeiten spricht aber recht deutlich dafür, dass auch jetzt ein Konjunkturrückgang nur eine Frage der Zeit sein sollte.
Interessant ist, dass sich dies auch bei den Rohstoffen zeigt. „So gelten die Edelmetalle meist als Allzweckwaffe gegen Krisen und geldpolitische Fehler, aber nur auf Gold trifft dies meist auch zu“, meint Funda Sertkaya, Rohstoffexpertin und Geschäftsführerin beim Edelmetallhändler Ophirum. Im Frühjahr entfachte ein Mix aus sinkenden Zinsen, Dollar-Abwertung und Banken-Turbulenzen einen Höhenflug auf Rekord bei der Feinunze. Inzwischen sind die Erwartungen an eine geldpolitische Wende in den USA wieder gesunken und Gold gibt es mit einem besseren Chance-Risiko-Verhältnis.
Silber ist ein Gewinner der Energiewende
Während Gold seit Jahresbeginn um knapp sieben Prozent zulegte, hat Silber mit minus zwei Prozent den Anschluss verloren. „Silber-ETFs verzeichneten 2022 die stärksten Abflüsse seit elf Jahren“, erklärt Sertkaya. Die hohe Abgabebereitschaft unter Investoren überrascht auf den ersten Blick. Denn Silber profitiert vom hohen Wachstum der Solarzellenproduktion in China. Dank dank der massiven Fördermaßnahmen in Europa sollte der Trend anhalten, bei den Neuinstallationen wird ein Rekordwert erwartet.
Auf dem Weltmarkt bleibt die Lage daher angespannt, meint Salah Bouhmidi, Head of Markets beim Broker IG Europe: „Nach Angebotsdefiziten in den vergangenen beiden Jahren wurden die erzielten Überschüsse der vorherigen elf Jahren wieder aufgezehrt“. Anders als Gold ist Silber aber viel stärker in den Wirtschaftskreislauf eingebunden. Sollte die Konjunktur wie erwartet tatsächlich im späteren Jahresverlauf abkühlen, wäre davon auch die Silbernachfrage betroffen.
Platin und Palladium mit unterschiedlicher Entwicklung
Ähnliche Vorgaben gelten für die beiden anderen Edelmetalle, wobei auch hier die Feinheiten den Unterschied ausmachen. Platin und Palladium werden in Katalysatoren verwendet. Steigende Fahrzeugverkäufe führen zu einer höheren Produktion, was sich grundsätzlich positiv auf den Bedarf auswirkt. Bisher klingelt bei den Herstellern die Kasse, in Europa legte der Autoabsatz seit Jahresbeginn jeden Monat gegenüber dem Vorjahresmonat zu. „Zudem erfordern die strengeren Emissionsvorschriften in China und Europa größere Mengen der begehrten Edelmetalle“, ergänzt Salah Bouhmidi. Dennoch fällt die Bilanz 2023 höchst unterschiedlich aus: Palladium gibt es 20 Prozent günstiger, Platin liegt fünf Prozent im Minus. Ein Grund ist der zunehmende Marktanteil von Elektrofahrzeugen, in denen kein Palladium benötigt wird.
Platin zählt hingegen zu den Gewinnern der elektrischen Revolution und spielt im Zusammenhang mit grünem Wasserstoff eine wichtige Rolle. Zudem wird das mit 1400 Dollar je Feinunze vergleichsweise teure Palladium zunehmend durch Platin in Benzin-Katalysatoren ersetzt, dass auf dem Weltmarkt für 1000 Dollar zu haben ist. Auf der Angebotsseite führen zudem die zahlreichen Stromausfälle im vergangenen Jahr in Südafrika dazu, dass die Minenproduktion deutlich unter ihrer Maximalauslastung liegt. Platin erscheint daher fundamental besser unterstützt als Palladium, selbst wenn die Wirtschaft im späteren Jahresverlauf an Schwung verlieren dürfte.