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Ende 2023 waren nahezu 100 Prozent der von Profis verwalteten Vermögen in US-Aktien investiert. Das spiegelt nicht nur großes Vertrauen wider, sondern auch ziemlich großen Optimismus. Ist dieser möglicherweise zu groß?

Eine hohe Cash-Quote findet man an der Börse in der Regel dann vor, wenn die Anleger nervös und die Kurse angeschlagen sind. Nahezu voll investiert zu sein bedeutet für US-Profis, das ein Extremwert gilt, der aber noch zu toppen wäre, beispielsweise mit Hebelinstrumenten und Kredit, wie zuletzt Anfang 2021.

Zum Start ins neue Börsenjahr sehen auch die Hälfte der Anleger den S&P 500 auf Sicht von sechs Monaten höher. „Etwas Luft bis zur selten erreichten Schwelle von rund 60 Prozent ist noch vorhanden, das Chance-Risiko-Verhältnis hat sich aber deutlich verschlechtert“, sagt Franz-Georg Wenner vom Analysedienst Indexradar. Ähnliche Signale sendet die sehr niedrige Volatilität. Hier ist allerdings Vorsicht geboten: Im Auf und Ab der vergangenen zwei Jahre hat sich das Angstbarometer als guter Kompass erwiesen. „In starken Aufwärtsphasen wie von 2019 bis 2020 war die fast durchgehend tiefe Volatilität hingegen kein zuverlässiger Kontraindikator“, sagt Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets.

Die USA scheint vielen ein sicherer Anlagemarkt zu sein, doch unter der Oberfläche zeigen sich Kratzer. Es stellt sich die Frage, ob der Traum vom Goldlöckchen-Szenario wie eine Seifenblase platzen könnte und Risiken zu wenig eingepreist sind. Von den Notenbanken, deren geldpolitischer Kurs letztlich die Richtung stark beeinflusst, ist nur bedingt Unterstützung zu erwarten. Fed-Chef Jerome Powell spielte auf der Dezember-Sitzung den Weihnachtsmann und ließ keine Wünsche offen. Anfang Januar las sich das dann schon etwas anders und Zinssenkungen schon im März sind keinesfalls ausgemachte Sache.

Wahlkampf – bitte nicht mit der Fed

Wie viele Zinsschritte nach unten können es überhaupt sein im Jahr 2024? In Prinzip sollten Zinssenkungen in den USA früh kommen, denn die Fed wird sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, mit einer stärkeren Lockerung den Wahlausgang Anfang November zu beeinflussen. So könnten sich die am Terminmarkt eingepreisten Zinssenkungen von 150 Basispunkten als zu sportlich erweisen. Auch für den Aktienmarkt sind Zinssenkungen nicht per se positiv. Befand sich die Wirtschaft in einer Rezession, lag der S&P 500 rund zehn Monate nach der ersten Lockerung im Durchschnitt um rund 20 Prozent tiefer. Ohne Rezession, was eher selten vorkam, stieg er um fünf Prozent. Die Musik spielt also vor der ersten Lockerung, an der Börse wird schließlich die Zukunft gehandelt.

Im Gegenzug dürfte die Kapitalumschichtung von Aktien in Anleihen weit fortgeschritten sein. Nach dem Rückgang der Zehn-Jahres-Zinsen in den Bereich von vier Prozent erscheint die relative Bewertung des S&P 500 gegenüber Anleihen wieder attraktiver. Problematisch ist nur der eigene historische Vergleich. „Auf Basis der Gewinnschätzungen für die nächsten zwölf Monate liegt das KGV bei 19 und damit deutlich über dem 10-Jahres-Durchschnitt“, so Robomarkets-Analyst Molnar. Die beliebte Bewertungskennzahl sagt aber nur die halbe Wahrheit. Ähnlich wie bei der Performance-Betrachtung verzerren die großen Tech-Schwergewichte den Durchschnitt deutlich nach oben. Ohne die Giganten ist der US-Aktienmarkt sogar recht attraktiv.

Allerdings nur, wenn die Unternehmen auf der Gewinnseite liefern. „Für das erste Quartal 2024 wird ein Wachstum von sieben Prozent erwartet, im zweiten Quartal sollen es elf Prozent sein, für das Gesamtjahr liegt die Messlatte bei sportlichen zwölf Prozent“, sagt Stefan Riße von der Fondsgesellschaft Acatis zu den ambitionierten Erwartungen.

Schwierige Startbedingungen

Natürlich darf ein Blick auf die Markttechnik nicht fehlen, vor allem die Prognosegüte der Zyklusbetrachtung konnte sich 2023 sehen lassen. Vorwahljahre weisen unter bestimmten Voraussetzungen eine Trefferquote von 100 Prozent auf, das zu Ende gehende Börsenjahr hat dies eindrucksvoll bestätigt. US-Wahljahre zeigen dagegen häufig eine uneinheitliche Entwicklung in den ersten sechs Monaten mit einem Tiefpunkt im Mai.

Dies passt auch gut zu der derzeit eher optimistischen Stimmung. Abgesehen von einer Delle im September verläuft die zweite Jahreshälfte laut Franz-Georg Wenner dagegen überwiegend freundlich. Rein statistisch gesehen entwickelt sich der Aktienmarkt vor allem in den sonst eher schwierigen Sommermonaten recht gut. Das dritte Quartal ist in Wahljahren das mit Abstand beste. Unter dem Strich liegt die Gewinnwahrscheinlichkeit bezogen auf das Gesamtjahr bei knapp 75 Prozent. Die USA sind also nicht billig, aber immerhin haben sie die Statistik auf ihrer Seite.

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